Persönliche Erklärung der Abgeordneten Cansel Kiziltepe nach § 31 Absatz 1 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages zum Tagesordnungspunkt 6 der heutigen Plenarsitzung:

  • BE des Vermittlungsausschusses zum Gesetz zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

 

Der im Vermittlungsausschuss gefundene Kompromiss zur Erbschaftsteuer ist eine Verbesserung gegenüber dem Beschluss des Bundestags:

 

  • Statt 30% wird der Unternehmenswert im Rahmen des vereinfachten Ertragswertverfahrens nur noch um 23% pauschal abgesenkt.
  • Die Voraussetzungen für den Vorababschlag für Familienunternehmen von bis zu 30% wurden verschärft.
  • Unternehmen können nun nur noch dann die 100%-Verschonung erhalten, wenn ihr Verwaltungsvermögensanteil unter 20% liegt.
  • Die Verschonungen für vermögensverwaltende Gesellschaften wurden eingeschränkt.
  • Private Luxusgüter wie Yachten oder Oldtimer werden nicht mehr begünstigt.

 

Dieser Erfolg geht maßgeblich auf die sozialdemokratisch geführten Länder zurück, die aus staatspolitischer Verantwortung zu diesem Kompromiss bereit waren. Es wäre ein verheerendes Signal und eine Missachtung des Bundesverfassungsgerichts gewesen, wenn es trotz deutlicher Fristüberschreitung keine Einigung gegeben hätte. Die Union und insbesondere die CSU haben in unverantwortlicher Weise mit dem Feuer gespielt. Mit ihrer kompromisslosen Haltung im Interesse der Unternehmerlobby waren sie bereit, unserer Demokratie Schaden zuzufügen.

 

Gleichwohl ändert der Kompromiss nichts an der verteilungspolitischen Schieflage. In den letzten Jahren betrugen die Steuerausfälle durch die Privilegierung des Betriebsvermögens jährlich durchschnittlich 12 Mrd. Euro. Das ist doppelt so viel wie die Einnahmen an Erbschaftsteuer. Das neue Recht wird hieran nichts ändern. Eine große Chance, Millionäre und Milliardäre an der Finanzierung des Gemeinwesens angemessen zu beteiligen, wurde vertan.

 

Es bestehen zudem Zweifel, ob das neue Recht verfassungskonform ist. Auch allergrößte Betriebe können weiterhin steuerfrei übertragen werden, wenn die Kinder noch kein Privatvermögen besitzen. Durch frühe Schenkungen kann die eigentlich vorgesehene Bedürfnisprüfung problemlos umgangen werden. Zudem wird es zu Bewertungsabschlägen von bis 45% kommen. Damit wird das alte, bis 2008 geltende, und bereits als verfassungswidrig gerügte Bewertungsniveau wiederhergestellt.

 

Als Sozialdemokratin ist es immer wichtig gewesen, dass Arbeitsplätze nicht durch die Erbschaftsteuer gefährdet werden. Dieses Ziel war, ist und bleibt richtig. Diese Zielsetzung ist jedoch problemlos auch mit höheren Steuern für große und sehr große Erbschaften vereinbar. Der Vorschlag des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), eine Mindestbesteuerung für Erbschaften ab 26 Mio. Euro in Höhe von 15% einzuführen, weist in die richtige Richtung.

 

Mit dieser Erklärung mache ich deutlich, dass ich substantielle Zweifel habe, ob das neue Erbschaftsteuergesetz verfassungsgemäß ist. Daher setze ich mich für eine zügige Novellierung des Gesetzes in der nächsten Legislatur ein, um die Überprivilegierung großer und größter Vermögen zu beenden und Beitrag für mehr Verteilungsgerechtigkeit zu leisten.

IloveErbSt Vorschaubild