Fast ein Jahr ist es nun her, dass ich am Flughafen stand und mich von meiner Familie verabschiedet habe. Nachdem die letzten Abschiedsfotos gemacht wurden, wusste ich… jetzt geht es wirklich los. Mit einem gefühlten Puls von 3000 stieg ich ins Flugzeug ein und mein 10 monatiges Abenteuer begann. Alles, was ich wusste, war, dass ich in einen sehr kleinen Ort irgendwo in den Bergen von Virginia kommen würde. Als Großstadtkind wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht so recht, was das für mich heißen sollte. Jedoch sollte ich es bald erfahren.
Nach den ersten paar Wochen habe Ich erfahren, wie es ist mal nicht in einer Großstadt zu leben. Ich hatte mich vorher darüber nicht wirklich informiert, aber als ich dann da war, habe ich schnell herausgefunden, dass es in Lexington keine Busse, keine U-Bahn oder sonstige öffentliche Verkehrsmittel gibt. Dies wurde ein größeres Problem, als ich dachte. Für einen Berliner, der schon mit zehn Jahren überall ohne Eitern hingehen konnte, war diese Erfahrung ein echter Schock. Dass ich aus der eigentlichen Stadt noch 16 Kilometer außerhalb wohnte, hat nicht wirklich geholfen, es besser zu verarbeiten. Dazu kam noch, dass ich in meinem Haus kein Internet und kein Fernsehen hatte. Da ich keine Gastgeschwister hatte, gab es auch nicht die Möglichkeit, dass sie mich hätten mitnehmen können, um irgendwo hinzukommen. Als ich realisiert hatte, was das alles bedeutete, war ich schon ziemlich traurig und enttäuscht. Ich habe erst einmal versucht, über diese Dinge hinwegzusehen und zu probieren, mich an die Umstände anzupassen.
Als ich dann aber auch noch Probleme mit meiner Gastmutter bekam, da wir einfach von Grund auf zwei sehr verschiedene Menschen sind, konnte ich es nicht mehr aushalten. Mein Problem war, dass ich mit meiner Gastmutter mich einfach nicht einmal normal unterhalten konnte. Zwischen uns war immer Stille. Dann wieder eine Frage und Antwort. Und wieder 10 Minuten Stille.
Als sehr sozialer Mensch, der keine Probleme hat, neue Freunde zu finden, war es aufgrund der Umstände mit meiner Gastfamilie echt schwer, dort ein soziales Leben aufzubauen.
Deshalb beschloss ich, zu versuchen, meine Gastfamilie zu wechseln. Nach mehreren Gesprächen mit meiner Local Coordinator (eine Person von der Partnerorganisation in der Umgebung des Schülers, mit der man über Probleme redet etc.) habe ich nichts erreicht. Immer wieder wurde ich ignoriert und nichts änderte sich. Von höheren Autoritäten in der Organisation in den USA wurde mir immer verboten, die Familie zu wechseln. Womit das zu tun hatte, wusste ich nicht so recht. Ich wusste nur, dass meine Gastmutter auch für die Organisation arbeitete und die hohen Autoritäten in der Organisation gut kannte.
Ich kam mir im Stich gelassen vor, alleine und nicht angehört. Es wurde mir klar gesagt, dass ein Familienwechsel nicht möglich sei, außer wenn meine Gastfamilie zustimmen würde. Dies wurde mir mitgeteilt, nachdem ich 6 Monate lang versucht hatte, meine Familie zu wechseln. Meine Gasteltern stimmten jedoch nicht zu und somit war auch die letzte Chance gestorben, in eine neue Gastfamilie zu wechseln.
Ein paar Nächte ging es mir echt schlecht und ich konnte nicht schlafen vor Traurigkeit.
Ich dem Moment wurde mir klar, wieso ich dort so unglücklich war. Bis zu meinem Auslandsjahr war ich einfach ein sehr glücklicher Mensch. Ich habe das Glück, in einer tollen Stadt zu leben mit tollen Eltern, die mir sehr viel Freilauf lassen. Dazu habe ich zwei ältere Schwestern von denen ich viel gelernt habe und die mich immer unterstützen. Außerdem habe ich mütterlicher- und väterlicherseits, zwei große Familien, in denen es einen guten Zusammenhalt und Familienleben gibt. Darüber hinaus habe viele tolle Freunde und genieße viele Freiheiten in Berlin.
Nun hatte ich einmal nicht so viel Glück und musste lernen damit umzugehen. Natürlich war es nicht einfach, aber Stück für Stück wurde ich glücklicher, da ich einfach eine neue Einstellung bekommen hatte. Meine neue Einstellung war: „Versuch noch das Beste daraus zu machen und schaue über die blöden Sachen hinweg, da sie dich nur unglücklich machen, jedoch du nichts daran ändern kannst.“ Mit dieser Einstellung und dem Hintergedanken, dass ich nicht mehr sehr lange diese Umstände aushalten musste, ging es auch schon viel besser, und ich konnte die letzte Zeit noch genießen.
Nun hat sich dieser Bericht bis jetzt wie eine Beschwerde angehört, jedoch soll er das überhaupt nicht sein. Es ist ein Erfahrungsbericht und das waren halt meine Erfahrungen. Obwohl es sich nicht so anhört, bin ich sehr froh, dieses Auslandsjahr gemacht zu haben. Ich habe sehr viel über mich gelernt. Allein schon wegen der Einsicht, dass ich in Berlin mit meiner Familie und mit meinen Freunden echt ein super Leben habe, hat sich das Auslandsjahr gelohnt.
Das, was ich über mich in diesem Jahr gelernt habe, war zwar sehr wichtig, aber logischer Weise nicht das einzige, das ich in den USA gelernt habe.
Jetzt, da ich 10 Monate unter Amerikanern gelebt habe, habe ich ein viel besseres Verständnis für die amerikanische Kultur entwickelt. Z.B verstehe ich jetzt, warum Amerikaner so viele Waffen haben und auf das Recht bestehen, sie zu besitzen. Die USA wurde aus einer sehr blutigen Revolution gerundet, die mit Waffen gewonnen wurde. Deshalb steht im Grundgesetzt auch, dass jeder Bürger sich bewaffnen darf, um eine undemokratische Regierung im schlimmsten Fall stürzen zu können. Da dieses Gesetz und der Brauch, Waffen zu haben, so tief in der amerikanischen Kultur verankert ist, ist es schwer, ihnen dieses Privileg zu nehmen.
Solche Erkenntnisse kann man nur bekommen, wenn man in den USA für mindestens ein halbes Jahr lang lebt. Deswegen bin ich sehr glücklich, dass ich durch das PPP die Möglichkeit hatte, solche Erkenntnisse zu sammeln und weitergeben zu können.
Ein weiterer sehr interessanter Unterschied zwischen Deutschland und den USA, ist das Bildungssystem.
Die Unterrichtsmethoden in den USA sind ganz anders, als bei uns. Das Schlagwort ist „multiple choice“. In den USA gibt es nur Tests und Arbeiten mit multiple choice. Diese
Methode führt dazu, dass einfach nur strikt auswendig gelernt wird. Man lernt nur für die Arbeiten und hat am nächsten Tag schon wieder alles vergessen. Nur in ganz wenigen Fächern kam es vor, dass ich in Sätzen antworten musste und deshalb kritisches Denken anwenden musste. Das halte ich für einen negativen Aspekt der amerikanischen Schulen. Ein positiver Aspekt ist jedoch, dass die amerikanischen Schulen mehr anbieten als nur die Ausbildung akademischer Fähigkeiten. Dort hat Schule nämlich einen sehr viel größeren sozialen Aspekt. Nach dem Unterricht werden dort noch zahlreiche Arbeitsgemeinschaften und Sportaktivitäten angeboten. Diese Gruppen dienen sehr stark der Teambildung und ich konnte dort die meisten Freundschaften schließen.
Diese und andere kulturelle Unterschiede zwischen der USA und Deutschland kennenzulernen, fand ich sehr interessant und es hat meinen Horizont erheblich erweitert. Hinzu kommen noch all die Erkenntnisse, die Ich über mich selbst gelernt habe. All dies hat mein Auslandsjahr sehr wertvoll und lohnenswert gemacht.
Hiermit möchte ich mich beim Bundestag und bei Ihnen bedanken, dass sie mich ausgewählt haben. Ich finde diese Austauschprogramme sehr wichtig und würde mich freuen, wenn sie weiterhin gefördert werden. Denn schließlich sind wir, die Jugendlichen, die Zukunft Deutschlands. Da die USA die führende Weltmacht ist, kann es nur von Vorteil sein, junge Deutsche in die USA zu schicken, um die Kultur und das Volk dort kennenzulernen.
Aus diesem Grund und damit auch andere Jugendliche solche wichtigen Erfahrungen sammeln können, wie ich es getan habe, bitte ich Sie um volle Unterstützung für das PPP. Ich halte es für ein sehr geeignetes Programm, um die deutsch-amerikanischen Beziehungen zu stärken.