Auf dem Flüchtlingsgipfel vom 24. September wurde der weitere Fahrplan in der Asylpolitik beschlossen. In ihm sind wichtige Entlastungen der Länder und Kommunen, sowie für bestimmte Gruppen von Flüchtlingen Verbesserungen enthalten. Gleichzeitig wurden aber auch Rechte, die noch in dieser Wahlperiode mühsam erkämpft wurden zurückgefahren und Verschärfungen für die Abschiebepraxis angeordnet, sodass ich das Paket insgesamt sehr kritisch sehe.
Trotz Hetze und Terror von rechter Seite waren die letzten Wochen und Monate geprägt von einem wunderbaren Klima der Solidarität und der Hilfsbereitschaft. Viele Bürger haben sich vorbildlich um die vielen Flüchtlinge gekümmert, in der Welt ist ein neues Bild von Deutschland entstanden, jenseits von Austeritätspolitik, Egoismus und Abschottung. Doch war klar, dass man mit den bisherigen Strukturen die aktuellen Anforderungen nicht bewältigen kann und Verbesserungen herbeigeführt werden müssen. Dafür wurde nun der Flüchtlingsgipfel im Kanzleramt abgehalten.
Der Kompromiss, der auf diesem Gipfel zwischen Bund, Ländern und Kommunen erreicht wurde, bringt an einigen Punkten die notwendigen Verbesserungen, enthält aber auch sehr viele Rückschritte.
Positiv ist sicherlich zu bewerten, dass der Bund seine Hilfen für die Kommunen ausbaut. Die Kommunen erhalten eine zusätzliche Milliarde zur Entlastung sowie eine Pauschale pro Flüchtling, was diesen die nötige Einnahmensicherheit für die kommende Zeit bietet. Das Baurecht wird dem aktuellen Bedarf angepasst, so dass Unterkünfte einfacher errichtet werden können. Auch für Asylbewerber und Geduldete, denen eine Bleibeperspektive zugeschrieben wird, verbessert sich sehr viel. Sie kommen nun frühzeitig in den Genuss von Arbeitsförderungsmaßnahmen, können für Leiharbeitsunternehmen arbeiten und dürfen Sprach- und Integrationskurse besuchen. Die Einführung der Gesundheitskarte auf Länderebene wird erleichtert – ein Vorhaben, für das ich mich persönlich immer eingesetzt habe – und psychologische Betreuung für Traumatisierte wird ausgebaut. Ein weiterer positiver Erfolg ist die Ausweitung des sozialen Wohnungsbaus, um die angespannte Situation für Wohnungssuchende zu verbessern.
Das alles wiegt leider in meinen Augen die Verschlechterungen nicht auf, die mit diesem Kompromiss einhergehen. Die SPD ist noch in die Koalitionsverhandlungen mit der Forderung gegangen, keine weiteren Staaten als sichere Herkunftsstaaten einzustufen. Nachdem man für Entgegenkommen an anderer Stelle bereits Mazedonien, Serbien und Bosnien Herzegowina hinzunahm, werden nun auch Albanien, Kosovo und Montenegro als solche eingestuft – es sei am Rande erwähnt, dass die Bundeswehr weiterhin im Kosovo stationiert ist, weil die Lage dort als instabil angesehen wird. Erfolgreich haben wir in dieser Wahlperiode dafür gekämpft, dass die Priorität von Sach- hin zu Geldleistungen gelegt wird, das wird nun rückgängig gemacht. So sollen in Erstaufnahmeeinrichtungen so viel wie möglich Sachleistungen angeboten werden. Das wird den individuellen Bedarfen der Geflüchteten nicht gerecht und die Qualität der Versorgung massiv verschlechtern. Vor allem wird damit aber wieder jener bürokratische Irrsinn entfacht, den man gerade mit den letzten Reformen abbauen wollte. Ebenfalls inakzeptabel sind die massiven Leistungskürzungen für vollziehbar Ausreisepflichtige. Hier konnte zwar von SPD-Seite der ursprüngliche Entwurf, diesen nur noch Proviant und ein Rückflugticket zu geben rückgängig gemacht werden, es wird aber nur noch das notwendigste (Unterkunft, Essen, Kleidung) gewährleistet, das soziokulturelle Existenzminimum wird damit nicht mehr erreicht. Ich halte das in Anbetracht des letzten Urteils des Bundesverfassungsgerichts zu diesem Thema für nicht vereinbar mit unserem Grundgesetz. Die weiteren Verschärfungen der Abschiebepraxis sind in meinen Augen inhuman.
Mit diesen Politikmaßnahmen fallen wir hinter vieles zurück, was wir in der aktuellen Wahlperiode mühsam erkämpft haben, an einigen Punkten werden neue bürokratische Hindernisse geschaffen, die weitere Ressourcen verschlingen. Es wäre vielmehr an der Zeit, nun die Flüchtlingspolitik im Kontext eines umfassenden Modernisierungsprogramms für Deutschland neu zu formulieren. Dreh- und Angelpunkt eines solchen Programms müsste eine deutlich stärkere Steigerung des sozialen Wohnungsbaus sein, als dies auf dem Gipfel beschlossen wurde, sowie deutlich mehr Mittel für die Bildungspolitik, um sowohl hier Lebenden als auch Flüchtlingen substantielle Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt und in unserer Gesellschaft zu ermöglichen.