Natürlich steht auch der 1. Mai 2020 unter den Auswirkungen der Corona-Pandemie. Die großen Maikundgebungen, Demonstrationen und zahlreichen und vielfältigen Feste in der ganzen Stadt können in diesem Jahr nicht stattfinden. Aber zahlreiche Veranstaltungen haben sich eine digitale Alternative gesucht. Und auch in diesen Formaten können wir zeigen, dass wir gemeinsam für eine klare politische Haltung einstehen.
Eine der zentralen Lehren der Corona-Krise ist schon jetzt, wir werden sie nur mit einem handlungsfähigen und starken Staat meistern können. Was Einsparungen in der öffentlichen Daseinsvorsorge, insbesondere im Gesundheitswesen bedeuten, zeigt sich heute klarer denn je: Überlastetes Pflegepersonal und fehlende Ausstattung in einer Pandemie sind die Konsequenz. Was passiert, wenn soziale Sicherungssysteme nicht funktionieren, wird uns bewusst, wenn wir den Blick über die derzeit geschlossenen Grenzen richten.
Der Handelsbilanzüberschuss hat sich auf die importierenden Staaten Europas ausgewirkt. Die Austeritätspolitik in Südeuropa, die auch von Deutschland initiiert wurde, führt uns vor Augen: Austerität kann tödlich sein. Das ist die mittelfristige Folge kaputt gesparter Gesundheitssysteme in Italien und Spanien. In diesen Zeiten können wir hierzulande froh sein, dass die Kassen der Arbeitsagentur gut gefüllt sind und das Gesundheitswesen noch nicht vollständig kaputt gespart wurde. Die Krise führt uns eindrücklich vor Augen, wie wichtig ein handlungsfähiger Sozialstaat ist. Die Durchdringung sämtlicher Lebensbereiche der allgegenwärtigen Marktlogik muss ein Ende haben!
In der Krise schreien diejenigen bei der Vergabe von Krediten für in Not geratene Unternehmen zumeist am lautesten, die sonst blind auf die unsichtbare Hand und den Markt vertrauen. Diese Unterstützungsmaßnahmen darf es nicht zum Nulltarif geben, wenn eben jene nach der Krise behaupten, es sei nicht genug für alle da. Diese Behauptung zeigt sich dann in Entlassungen, um bei den Lohnkosten für die noch eben beklatschten Verkäufer*innen und Kassierer*innen als erstes zu sparen. Wenn wir das verhindern wollen, darf es keine staatlichen Hilfen ohne staatliche Kontrolle geben. Wir müssen bei unterstützten Unternehmen Tariftreue und Mitbestimmung einfordern und verhindern, dass nach der Krise durch Umstrukturierungen Tarifflucht begangen und die Mitbestimmungsrechte der Beschäftigten ausgehöhlt werden.
Es ist in meinen Augen ebenfalls zwangsläufig, dass auf Zweigniederlassungen in Steueroasen – die nur der Steuervermeidung dienen und sonst keinen Geschäftszweck haben – verzichten werden muss, wenn das Unternehmen mit staatlichen Geldern unterstützt wird.
Damit die Beschäftigten, die die Betriebe am Laufen halten, auch über die Krise hinaus bei wirtschaftlichen Entscheidungen ihrer Arbeitgebenden Einfluss nehmen können, muss die Unternehmensmitbestimmung gestärkt werden. Aufsichtsräte, in denen Arbeitnehmer*innen die gleichen Mitspracherechte haben wie Arbeitgebende stärken nicht nur unsere Demokratie. Sie leisten einen wichtigen Beitrag zur Verteilungsgerechtigkeit.
Und auch diese Krise zeigt: mehr Mitbestimmung verwirklicht nicht nur den Anspruch einer vollständigen Demokratie, nicht am Werkstor oder der Bürotür zu enden, sondern lässt Unternehmen auch Krisen besser meistern. Das wird sich auch in der Zukunft nicht ändern und muss sich insbesondere bei neuen Formen der Arbeit und in Start-Ups wieder finden.
Der 1. Mai steht seit jeher im Zeichen der Solidarität. Für mich bedeutet Solidarität, unbedingt füreinander einzustehen. Auch über Grenzen hinweg, denn Solidarität ist international. Auch und gerade in Zeiten wie diesen, wo sich Ungleichheiten noch deutlicher zeigen als sonst. Auch über die Krise hinaus, wenn sich zeigt, wer sich für die zu oft unsichtbaren Held*innen der Krise in den Krankenhäusern und an den Supermarktkassen wirklich einsetzt.