Steuermythen Veranstaltung zu Steuerprivilegien im Immobiliensektor

Im Dezember letzten Jahres hat das Recherchenetzwerk Investigate Europe eine umfangreiche Recherche zu Steuerprivilegien im deutschen und europäischen Immobilienmarkt veröffentlicht. Über die genauen Mechanismen und deren Auswirkungen haben wir bei Steuermythen in der Veranstaltung „Steuerprivilegien im Immobiliensektor“ am 31.1. diskutiert. Fachliche Inputs gab es von Nico Schmidt, Journalist und Autor der Investigate Europe Recherche, Julia Jirmann vom Netzwerk Steuergerechtigkeit, das die Recherche fachlich unterstützt hat und Dr. Melanie Weber-Moritz vom deutschen Mieterbund. Bei dieser Veranstaltung sind wir den einzelnen Steuerprivilegien nachgegangen und haben uns mit der Verbindung zwischen Steuerpolitik, dem Immobilienmarkt und Wohnungsnot beschäftigt. Zuletzt haben wir verschiedene Reformen aufgezeigt und diskutiert.

Hohe Immobilienpreise, steigende Mieten und Wohnungsnot sind insbesondere in Ballungsgebieten, aber auch darüber hinaus, ein großes Problem mit vielen Ursachen. Eine ganz entscheidende davon ist, dass durch steuerliche Vergünstigungen viel Kapital in den Immobilienmarkt gelenkt wird. Prof. Eichfelder schätzt, dass es in Deutschland Überinvestitionen von 68-109 Milliarden Euro gibt, die auf steuerliche Fehlanreize zurückzuführen sind, worunter schlussendlich Mieterinnen und Mieter leiden. Zu den wichtigsten Privilegien zählen dabei die Steuerfreiheit von Veräußerungsgewinnen für nicht selbstgenutzte Immobilien ab einer Haltedauer von 10 Jahren, die Privilegierung von Erbschaften von mehr als 300 Wohnungen und die Umgehung der Grunderwerbsteuer durch sogenannte Share Deals. Von diesen Privilegien profitieren besonders die reichsten 10% der Bevölkerung, die Immobilien besitzen zum Zweck der Vermietung.

Als eine Reformoption wurde die Abschaffung der Steuerfreiheit von Veräußerungsgewinnen diskutiert. Dabei sollen alle Gewinne, die beim Verkauf einer Immobilie anfallen, der Einkommensteuer unterliegen. Dies ist bereits bei anderen Vermögenswerten wie Wertpapieren der Fall. Heute muss nur dann Einkommensteuer gezahlt werden, wenn private Besitzer einer Immobilie diese nach weniger als 10 Jahren verkaufen. Halten sie die Immobilie länger ist der Gewinn aus dem Verkauf steuerfrei. Ausgenommen sind Immobilien, die selbst genutzt werden. Eine weitere Reformidee betrifft die Privilegierung von vererbten Wohnungen. Erbt man mehr als 300 Wohnungen, sind diese erbschaftsteuerfrei übertragbar. Besonders große Wohnungsgesellschaften profitieren gegenüber kleinen privaten VermieterInnen und Gesellschaften, was zu einer Wettbewerbsverzerrung führt. Zuletzt wurde sich für eine weitere Eindämmung von Share Deals ausgesprochen. Zusammen mit meinem Kollegen Bernhard Daldrup haben wir uns noch Anfang 2021 eine Einschränkung durchgesetzt. Seitdem ist die Anzahl an Share Deals deutlich zurückgegangen und wir wollen weiter beobachten, wie sich die Lage entwickelt.

Eine Abschaffung der Steuerprivilegien bei Immobilien führt damit nicht nur zu einer faireren Besteuerung, sondern auch zu einem gerechteren Miet- und Immobilienmarkt. Die Recherche #untaxed von Investigate Europe ist unter dem folgenden Link abrufbar: https://www.investigate-europe.eu/de/2022/untaxed-immobilien-steuern-wohnungskrise/

Die Präsentationsfolien von zwei Inputs finden Sie hier:

Präsentation_Jirmann

Präsentation_Schmidt