Bildung-WissenWer in den vergangenen Jahren in Deutschland mit Kindern im schulpflichtigen Alter gelebt hat oder dies immer noch tut, kennt sie, die Angst vor der nächsten Bildungsvergleichsstudie. Die Ergebnisse sind in der Regel wenig erbaulich und so haben bildungsbewusste Eltern sich seit dem ersten Pisa-Schock im Jahr 2000  zu einer stillen Armee der Privatlehrer ihrer eigenen Kinder entwickelt. Glücklich sei also, wer die zeitlichen, ökonomischen und fachlichen Ressourcen hat, um in diesem „Spiel“ – welches in Wirklichkeit natürlich bitterer Ernst ist – mitzuspielen. Denn sonst bleibt „Kind“ verlassen in einem Schulsystem, welches sozialen Aufstieg konsequent verbaut und den Abstieg viel zu häufig geschehen lässt. Zu diesem Ergebnis kommt, leider erneut, der zweite Chancenspiegel der Bertelsmann Stiftung, der die Leistungen der 16 Bundesländer im Bereich der Chancengerechtigkeit untersucht und anhand der vier Kategorien Integrationskraft und Durchlässigkeit, Zertifikatsvergabe und Kompetenzförderung miteinander vergleicht.

Eine der besorgniserregenden Kernaussagen der Studie: Keines der 16 Bundesländer schneidet wirklich gut ab! Zwar sind die Unterschiede innerhalb der einzelnen Kategorien teilweise erheblich, aber nirgendwo gelingt es umfassend, den Lernerfolg der Schüler von ihrer sozialen Herkunft zu entkoppeln und damit echte Chancen auch für die zu schaffen, deren Elternhaus notwendige Unterstützung und Förderung nicht bieten kann oder will. So gelingt beispielsweise in Bayern die Kompetenzförderung vergleichsweise gut, dafür hinken aber Integrationskraft und Durchlässigkeit hinterher. In Schleswig-Holstein wiederum ist die Integrationskraft stark, die Durchlässigkeit aber funktioniert nicht.

Allen Bundesländern gemein ist die Tatsache, dass sie mehr Abwärts- als Aufwärtswechsel zwischen den einzelnen Schularten verzeichnen.Viermal so hoch ist im Schnitt die Zahl der Wechsel von einer höheren zu einer niedrigeren Schulart im Vergleich zu den Aufstiegen. Die Demotivierung und das nicht ausreichend aktivierte Potential jedes einzelnen davon betroffenen Schülers kann eigentlich nur Verzweiflung hervorrufen. So auch die Tatsache, dass Kinder aus unteren sozialen Schichten in ihrer Lesekompetenz nach wie vor etwa ein Jahr zurückliegen. Daran hat sich in den vergangenen Jahre trotz aller Diskussionen, Warnrufe und politischen Versprechen nichts geändert.

Als einen der Hauptansatzpunkte, um den Einfluss der sozialen Herkunft auf den Bildungserfolg der Schüler langfristig zu verringern, identifiziert auch diese Studie erneut den Ausbau von Ganztagsschulen. „Hier bestätigt sich, was ich selbst erfahren habe“, so die SPD-Bundestagskandidatin für Friedrichshain-Kreuzberg – Prenzlauer Berg Ost  Cansel Kiziltepe zu den Ergebnissen der Studie. „Dass nämlich sozialer Aufstieg durch eine intensive Betreuung an Ganztagsschulen möglich ist, unabhängig vom Geldbeutel der Eltern. Eine Idee übrigens, der sich die Sozialdemokratie vor dem Hintergrund ihrer Forderung nach Chancengerechtigkeit schon lange verschrieben hat.“

Link: Mehr zu den Ergebnissen der Studie auf spiegel-online