Schulessen_by_Jens_OlafDer Beschluss des Senats, den monatlichen Beitrag für das Schulessen für Grundschüler um 14 Euro zu erhöhen, sorgte im Frühsommer dieses Jahres für handfeste Diskussionen. Neben der Frage, wie Eltern in finanziell angespannter Situation diese Preissteigerung stemmen sollen, rückten auch Überlegungen ins Zentrum, wie ein Caterer für derzeit 2 Euro am Tag ein qualitativ hochwertiges Essen herstellen soll. Denn gesund und nahrhaft soll es sein,  was unsere Kinder täglich vorgesetzt bekommen, und schmecken soll es auch. Was also lag näher für die Direktkandidatin der SPD in Friedrichshain-Kreuzberg und Prenzlauer Berg Ost, als sich selbst ein Bild von den Bedingungen in einem Betrieb zu machen, der Schulen mit Essen beliefert.

In Kreuzberg boten sich zwei interessante Projekte an, die gutes Essen mit Gemeinnützigkeit verbinden. Eine gelungene Kombination, befand auch Cansel Kiziltepe und machte sich auf, als Erstes die Schildkröte GmbH in der Boppstraße zu besuchen, nebenbei die erste gemeinnützige GmbH in Berlin.

„Wir blühen im Verborgenen“, bemerkte die Geschäftsführerin Eva-Maria Lambeck und meinte damit das im Hinterhof befindliche Haupthaus mit Ausbildungsküche und Verwaltung. Im Gespräch berichtete sie von der Geschichte der Schildkröte, die 1988 gegründet wurde, ihre Arbeit jedoch bereits 1984 aufgenommen hatte. Das Angebot der Gesellschaft richtet sich an Jugendliche mit besonderem Förderbedarf. Allerdings steht weniger das Erlangen handwerklicher Fähigkeiten im Mittelpunkt als vielmehr die Gewöhnung an einen regelmäßigen Tagesablauf, wozu auch das frühe Aufstehen gehört und das pünktliche Erscheinen am Arbeitsplatz. Ein Problem sieht Frau Lambeck in der Kürze der Programmlaufzeit, in der die Jugendlichen vom Arbeitsamt gefördert werden: Ein halbes Jahr ist zu kurz, um sie für eine richtige Ausbildung fit zu machen oder wie Frau Lambeck es ausdrückte: „Wir brauchen vor allem Zeit.“ Hatte die Schildkröte früher bis zu 250 Jugendliche, sind es aktuell nur knapp 50. Das liegt vor allem daran, dass Arbeitsmarktprogramme in ihrem Umfang schwanken. Weil zurzeit die Konjunktur stabil scheint, stehen weniger Mittel für diesen Bereich zur Verfügung. Frau Lambeck bedauert das sehr und erklärte, dass Strukturen wie die der Schildkröte nicht mal eben so auf- und abgebaut werden könnten.

Finanziell steht die Schildkröte auf einem soliden Fundament. Neben dem Catering ist die Versorgung von Schulen mit Schulessen – wie z.B. die der Aziz-Nesin-Grundschule und die der Carl-von-Ossietzky-Schule – eine Einnahmequelle. Derzeit plant die Schildkröte, zehn Arbeitsplätze für Behinderte einzurichten. Der Name dieses neuen „Integrationsbetriebs“ wird „Handfest“ lauten.

Der zweite Besuch galt dem Verein Graefewirtschaft in der Graefestraße. Gegründet wurde er von einer Gruppe Migrantinnen aus aller Welt mit dem Ziel, Arbeitsplätze in einem sozialen Unternehmen zu schaffen. Die Frauen betreiben den Restaurant- und Cateringbetrieb „die Weltküche“ in der Graefestraße und so ist es ihnen gelungen, in den letzten Jahren gut 40 sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse zu schaffen – vor allem für Frauen, die aus ihrer Heimat fliehen mussten und in der Regel wenig Aussicht auf einen Arbeitsplatz haben.

Auch die Weltküche finanziert sich über Catering und die Ausgabe von Schulessen, u.a. für die Herrmann-Hesse-Schule. Zudem findet sich in der Graefestraße ein Gastraum, der über die Mittags- und Nachmittagszeit geöffnet ist und wechselnden Mittagstisch anbietet. Heike Birkhölzer vom Verein Graefewirtschaft spricht von einem „Essen der Vielfalt“. Das verwendete Fleisch ist durchweg halal und alle anderen Zutaten entstammen dem kontrollierten Anbau.

Zurzeit läuft die Schulessen-Ausschreibung für die kommenden drei Jahre, von deren Ausgang auch ein Teil der Zukunft der Weltküche abhängt Finanziell ist derzeit alles im „grünen Bereich“. Das war allerdings nicht immer so. In 2011 geriet die Weltküche wegen auslaufender Fördermittel in eine Krise. Gespräche mit dem Bezirksamt und dem zuständigen SPD-Wirtschaftsstadtrat Peter Beckers seien allerdings hilfreich gewesen, wie Frau Birkhölzer bemerkte.

http://www.schildkroete-berlin.de/view.php

http://www.die-weltkueche.org/projekte.html