Trotz wirtschaftlichem Aufschwung geht die Schere zwischen Arm und Reich wieder auseinander. Im aktuellen WSI-Verteilungsbericht zeigt sich zwar ein Rekordtief an Arbeitslosen und ein deutlicher Wirtschaftsaufschwung, allerdings geht dieser an großen Teilen der Bevölkerung, und zwar den Armen und unteren Einkommensschichten, vorbei. Dagegen profitieren die oberen 10% der Gesellschaft deutlich vom jetzigen Wirtschaftswachstum.
Die Untersuchung zeigt, dass sowohl der Anteil der Armen als auch der Reichen in Deutschland immer mehr zunimmt. Galten beispielsweise zu Beginn der 2000er-Jahre noch 10% der Deutschen als arm, waren es 2014 bereits 14%. Und was ist mit dem Mittelstand? Spannagel beschreibt dessen Entgelte trotz Berücksichtigung der Inflation lediglich als konstant.
Als Verlierer gelten also wieder einmal die Armen und Einkommensschwachen, während die sehr Reichen nicht einmal von der Krise bedeutend berührt wurden. Spannagel nennt das „das Schweben der Reichen über den konjunkturellen Krisen“. Chancengleichheit und Aufstiegschancen haben sich demnach ebenfalls verringert. Wie es den jetzt noch arbeitenden Geringverdienern dann erst nach der Erwerbstätigkeit ergeht, ist leicht auszumalen.
Ein Grund für diese Ungleichheit lässt sich anhand vom Arbeitseinkommen und den Gewinnen aus Vermögen und Unternehmen ableiten. Ersteres steht vor allem den Gering- und Normalverdienern zum Broterwerb zur Verfügung, während viele Spitzenverdiener an Kapitaleinkommen verdienen. Da diese stärker steigen, besonders zwischen 2003 und 2007, als ein sprunghafter Anstieg weit über dem Arbeitseinkommensniveau zu beobachten war, kommt es zur Einkommensungleichheit. Demnach sind die Vermögens- und Unternehmensgewinne seit 1991 bis 2014 um 87%, das Arbeitseinkommen nur um 73% gestiegen.
Das Thema Verteilungsgerechtigkeit muss deshalb wieder stärker in der SPD verankert werden. Ohne ein klares Profil und konkrete Vorschläge in dieser Frage wird ein Wahlerfolg 2017 kaum möglich sein. Verteilungsinstrumente wie die Vermögen-, Abgeltung-, Erbschaftsteuer und ein höherer Spitzensteuersatz müssen auf die politische Tagesordnung.